Auf den Traktat Pesaḥim folgt in den Mischnaausgaben und ebenso in der Tosefta (s. ed. Zuckermandel S. 109) Massechet Scheḳalim, in den Jeruschalmi ausgaben dagegen Massechet Joma. Die Traktate der Mischna sind nicht nach ihrem Inhalte, sondern nach der Anzahl ihrer Kapitel geordnet1). Das zeigt sich nirgends deutlicher als in unserm Seder Moed, in welchem z. B. die Vorschriften des Hüttenfestes (Sukka mit 5 Kapp.) denen des Neujahrsfestes (Rosch Haschana mit nur 4 Kapp.) vorangehen. An Massechet Sabbat, die mit 24 Kapp. an der Spitze steht, schliesst sich ’Erubin mit 10 Kapp. an, die zu Sabbat eine enge innere Beziehung haben. Nun folgen aber nicht etwa die Traktate Jom Tob (5 Kapp.) Moed Ḳaṭan (3 Kapp.) und Ḥagiga (3 Kap.), die die allgemeinen Vorschriften der Feste enthalten, sondern zunächst Pesaḥim, weil diese Massichta gleich ‘Erubin 10 Kapp. hat, dann Schekalim und Joma mit je 8 Kapp. Da nun beide Traktate dieselbe Kapitelzahl haben, und keiner zum Vorangehenden eine besondere Beziehung aufweist, war es zweifelhaft, wem von ihnen der Vorrang zukäme. Einer ähnlichen Unsicherheit begegnen wir im Seder Naschim, in welchem drei Abhandlungen je 9 Kapp. haben: Nezirut, Soṭa und Giṭṭin. Dass Nezirut sich an Nedarim (11 Kapp.) anschliessen müsse, war selbstverständlich, da beide Traktate von den Gelübden handeln und daher ebenso zusammenhängen wie Sabbat und ‘Erubin; die Reihenfolge der beiden anderen aber war in der Tat schwankend. In der allgemeinen Einleitung zu seinem Mischnakommentar lässt Maimonides Soṭa auf Giṭṭin folgen und diese Massichta sich unmittelbar an Nezirut anschliessen, während aus einer Bemerkung in Babli (Anf. Soṭa), die jedenfalls ein späterer Zusatz ist und Maimuni nicht vorgelegen hat, klar hervorgeht, dass Soṭa an Nezirut anknüpft. Auf eine Anfrage, die R. Jakob b. Nissim in dieser Angelegenheit an R. Scherira gerichtet hatte („Warum steht Joma vor Scheḳalim, Sukka vor Jom Tob und beide vor Rosch Haschana?“) antwortete der Gaon: „Uns lehrte man in der Schule erst Scheḳalim und dann Joma, mag sein, dass ihr die umgekehrte Reihenfolge habt; immerhin lesen auch wir Sukka vor Jom Tob und dann erst Rosch Haschana. Mann kann wohl annehmen, dass Sabbat und ‘Erubin wegen der überragenden Bedeutung des Sabbats an der Spitze stehen, worauf Pesaḥ als erstes aller Feste folgt und im Anschluss Scheḳalim, weil die Tempelsteuer dem Pesachfeste zeitlich vorangeht (dieses wird im Nisan gefeiert, jene im Adar entrichtet) und zwischen beiden gewissemassen eine ähnliche Beziehung wie zwischen ‘Erubin und Sabbat besteht (Scheḳalim handelt von der Tempelverwaltung, ein grosser Teil des Traktats Pesaḥim vom Opferdienste). Auf Sabbat zurückgreifend, folgt nun die Abhandlung über den Versöhnungstag, weil dieser dem Sabbat gleicht, obgleich er in der Reihenfolge des Jahres dem Neujahrsfeste nachsteht“ u. s. w.2). Auch Maimonides lässt in seiner oben erwähnten Einleitung Joma auf Scheḳalim und diesen Traktat unmittelbar auf Pesaḥim folgen. Den Gegenstand unserer Massichta bildet die Tempelsteuer, die jeder Erwachsene jährlich vor dem 1. Nisan im Betrage eines Scheḳel (Silbermünze im Werte von etwa 1,30 M., die Hälfte eines „heiligen Schekel“) entrichten musste, und die dazu bestimmt war, die Kosten der öffentlichen Opfer im neuen Jahre zu decken. Es werden aber auch noch andere gesetzliche Bestimmungen, die mit dem Tempeldienst zusammenhängen, gelegentlich angefügt. Die beiden ersten Kapitel regeln die Einziehung, die zwei folgenden die Verwendung dieser Steuer, das fünfte handelt von der Tempelverwaltung, das sechste von den dreizehn Toren, Tischen und Opferbüchsen des Heiligtums, die beiden letzten erörtern die Frage, wann gefundene Gegenstände als heilig und wann als unheilig, wann als rein nnd wann als unrein zu gelten haben. Massechet Scheḳalim ist in unserer „Ordnung“ der einzige Traktat, der in den babylonischen Hochschulen nicht kommentiert wurde. Wir sind hier lediglich auf Jeruschalmi angewiesen. Die ganze Abhandlung steht mit Seder Mo‘ed nur in sehr loser Verbindung. Jedenfalls wäre sie in der fünften „Ordnung“, die von den Opfern handelt, eher am Platze als hier. Vermutlich war in der ursprünglichen, wohl schon von Hillel herrührenden Anlage von Scheḳalim nichts weiter vorhanden als die erste Mischna, welche dort den Anfang von Megilla bildete. Erst nach der Zerstörung des Tempels wurde auf diesem Grundstein allmählich unser Traktat aufgebaut, damit die Erinnerung an die Vergangenheit den späteren Geschlechtern nicht verloren gehe. Die wichtigsten Stücke dieser Abhandlung tragen die Spuren einer spätem Abfassung unverkennbar an der Stirne (התרומה מה הין עושין בה IV 1, אלו הן הממונין שהיו במקדש V 1, במקדש שלשה עשר שופרות הין VI 1 usw.) Aehnlich erklärt sich auch die Zugehörigkeit der Massechet Abot zur vierten „Ordnung.” In der von Hillel angelegten Sammlung schloss sich die erste Mischna (משה קבל תורה מסיני) nebst den folgenden Sätzen, in denen die Traditionskette bis auf seine Lehrer fortgeführt wurde, unmittelbar an Synhedrin X (XI) 1 (והאומר אין תורה מן השמים) an. Als aber die Zusätze, die jedes folgende Geschlecht machte, um die Sinnsprüche seiner Lehrer zu verewigen, immer zahlreicher wurden, hob man dieselben aus dieser Verbindung heraus, in der sie wegen ihres grossen Umfanges den Zusammenhang nur störten, und vereinigte sie zu einem besondern Traktate.